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Gesund leben im Kornhasen – ein erster Erfahrungsbericht aus der Einrichtung

Selbstbestimmt und unabhängig das Alter leben, das wünschen sich die meisten Menschen. Tatsächlich können Gesundheitsförderung und Prävention auftretende Einschränkungen auch in sehr hohem Alter verringern und vorhandene gesundheitliche Ressourcen erhalten und weiterentwickeln. Die Förderung körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit hat, insbesondere bei Pflegebedürftigkeit, einen entscheidenden Einfluss auf die Lebensqualität.

Das Projekt „Gesund leben im Kornhasen“ möchte die Bewohnenden im Willy-Körner-Haus, einer stationären Pflegeeinrichtung in Stuttgart-Wangen, dabei unterstützen. Hierfür werden gesundheitsförderliche und präventive Angebote geschaffen und entsprechende Strukturen in der Einrichtung aus- und/oder aufgebaut und nachhaltig implementiert.

Die Partizipation spielt dabei eine wichtige Rolle. In Fokusgruppen mit den Bewohnenden wurden die Bedarfe festgestellt und in die Handlungsfelder „Ernährung“, „Bewegung“, „Aktivierung kognitiver Ressourcen“ und „Psychosoziale Gesundheit“ gegliedert.

Handlungsfeld „Ernährung“

Das Essen und Trinken in der Einrichtung betreffend, kam unter anderem der Wunsch nach der Bereitstellung von reiferem und weicherem Obst auf. Von Seiten der Einrichtung wurde für jeden Wohnbereich ein Smoothie-Maker angeschafft. Die Vor- und Zubereitung sowie der Verzehr der Smoothies erfolgt dabei gemeinsam. Die Bewohnenden wünschen sich außerdem, dass das Essen in der Einrichtung individueller werden solle. Hier sind organisatorische Grenzen gesetzt. Das Thema „Wunschessen zum Geburtstag“ ist in Klärung. Hier gilt es natürlich die anliefernde Küche einzubeziehen.

Handlungsfeld „Bewegung“

Das Willy-Körner-Haus legt großen Wert auf Mobilitätstraining. In den Fokusgruppen mit Bewohnenden und Angehörigen wurde der Wunsch geäußert, in noch höherem Maß Bewegungsangebote zu erhalten, vor allem auch in den Herbst- und Wintermonaten.

Ein Übungsleiter der SportKultur Stuttgart e. V. (SportKultur Stuttgart e. V. ist ein Zusammenschluss von Sportvereinen) kommt einmal pro Woche ins Willy-Körner-Haus und führt aktivierende Übungen mit den Bewohnenden durch, bei schönem Wetter auch auf dem Platz vor der Einrichtung. Dieses Angebot soll in den anstehenden Wintermonaten ausgebaut werden.

Überdies wird daran gearbeitet, den „Bewegungspass für ältere Menschen“ der Landeshauptstadt Stuttgart für die Bewohnenden der stationären Einrichtung einzuführen. Der Bewegungspass beinhaltet zehn einfach umsetzbare Übungen, die den Erhalt der Mobilität im Alter fördern. Regelmäßig durchgeführt, stärken die Übungen das Herz-Kreislauf-System, kräftigen die Muskeln, verbessern das Gleichgewicht und unterstützen die Beweglichkeit. Eine Kooperation von Gesundheitsamt, Amt für Sport und Bewegung, der SportKultur Wangen und der Einrichtungsleitung passt den bestehenden Bewegungspass auf die gesundheitlichen Lagen und Bedarfe sowie die räumlichen Gegebenheiten der Einrichtung an.

Des Weiteren wurde festgestellt, dass die Mobilisierung durch Pflege- und Betreuungskräfte weiter ausgebaut werden muss. Im ersten Schritt wird das Thema Bewegungsförderung nun stärker in die Betreuungsangebote integriert. Auch die Pflegekräfte sind motiviert, die Bewohnenden dazu aufzufordern, möglichst viel selbst zu tun, sei es beim Essen, Anziehen oder der Körperpflege.

Handlungsfeld „Aktivierung kognitiver Ressourcen“

Im Handlungsfeld der kognitiven Aktivierung wurde von den Teilnehmenden der Fokusgruppen geäußert, dass ein Bedarf in Sachen Vorlesen bestehe. Um diesen Bedarf zu stillen, wurden Lesepaten aus der Stadtbibliothek angefragt, ob sie sich einen Einsatz im Willy-Körner-Haus vorstellen können. Zusätzlich erfolgt eine Sichtung altersgerechter Hörspiele.

Handlungsfeld „Psychosozialen Gesundheit“

Bedarfe, die Teilhabe ermöglichen und die somit die psychosoziale Gesundheit betreffen, wurden in den Fokusgruppen mit am häufigsten genannt. Hier merkt man die Auswirkungen der Corona-Pandemie, durch die die sozialen Kontakte und damit auch die Teilhabe am aktiven Leben deutlich reduziert wurden. Psychische Belastungen und Vereinsamung nahmen zu. Ein Wunsch, dass noch mehr Ehrenamtliche regelmäßig in die Einrichtung kommen und sich mit den Bewohnenden unterhalten, mit ihnen Spiele spielen, Spazierengehen oder Besorgungen übernehmen wurde geäußert. Die Corona-Pandemie schränkte in der Tat nicht nur wohngruppenübergreifende Aktivitäten unter den Bewohnenden ein, sondern beeinträchtige auch den Einsatz Ehrenamtlicher – das ist bis heute spürbar.

Mit Unterstützung der Wilde Bühne e.V. wurde im Willy-Körner-Haus auch eine Theatergruppe auf den Weg gebracht. „Begegnungsclowns“ besuchen im Willy-Körner-Haus regelmäßig Bewohnende, dabei speziell auch solche, die ihr Zimmer nicht verlassen können oder wollen. Diese Angebote werden speziell noch einmal ob ihrer Ausbaumöglichkeiten in den Blick genommen. Zurzeit finden Kinoabende mit Filmen zum Thema Älterwerden statt.

Die nächsten Schritte

Die aktuellen Maßnahmen im Projekt sind niederschwellige Angebote, die schnell zu installieren sind und den Bewohnenden den bereits gewonnenen Zugang zum Projekt erhalten. Diese Maßnahmen werden von der Projektleitung zum jetzigen Zeitpunkt als besonders wertvoll und zielführend erachtet. Wichtig werden nun die Öffnung in den Stadtteil, der Ausbau der vorhandenen Strukturen und die Weiterentwicklung der Vernetzungsarbeit im Sozialraum.

„Für unsere Bewohner*innen planen wir außerdem den verstärkten Einsatz digitaler Aktivierungstechniken. Gamifikation, als etwa Bewegungsförderung über Spielekonsolen, ist ein wichtiges Thema für unsere Einrichtung. Wir werden hier vom ortsansässigen Sportverein und dem Amt für Sport und Bewegung mit ihrem Know-how unterstützt.“ – Einrichtungsleiterin Christine Schneider

Einrichtungsleiterin Christine Schneider zu ihren Erfahrungen mit „Gesund leben im Kornhasen“

„Der Ottawa-Charta vom 21. November 1986 nach, zielt Gesundheitsförderung darauf ab, das Individuum zur Stärkung der eigenen Gesundheit zu befähigen. Das bedeutet, dass Maßnahmen gemeinsam mit den Menschen entwickelt werden, für die diese Maßnahmen gedacht sind. All das ist natürlich sinnvoll und durchdacht – nur so haben die Menschen eine Verbindung zu den Maßnahmen.

Was unsere Bewohner*innen anbelangt, so sind diese es aus ihrer Lebensgeschichte heraus, allerdings nicht gewohnt, in Prozesse grundlegend eingebunden zu werden. Eine wesentliche Erfahrung, die wir weitergeben können ist: Partizipatives Vorgehen erforderte viel Zeit, Kraft und Kontinuität. Insbesondere zu Beginn des Projekts erwies es sich eher als hinderlich, dass das Projekt ergebnisoffen ist. Wir wurden oft mit der Frage konfrontiert, was man denn nun eigentlich konkret tun wollte. Es war und ist schwierig, für ein Projekt zu werben, dessen Inhalt nicht konkret benannt werden kann. Die Idee, dass die Entwicklung von den Bedarfen der Zielgruppe abhängt, ist alles andere als leicht zu kommunizieren.

Dazu kommt: Die Situation in der Altenhilfe ist im Moment sehr durch Engpässe gekennzeichnet. Zusätzlich zu unserem Projekt „Gesund leben im Kornhasen“ haben wir in der Altenhilfe viele Herausforderungen zu bewältigen. Rechtliche Veränderungen und Verordnungen zwingen uns zu teils ganz neuen Ausrichtungen in der Arbeit. Dazu kommen die Herausforderungen, dass wir durch das Corona-Virus immer noch mit hohen Personalausfällen zu tun haben und generell unter knappen personellen Ressourcen leiden. Hier brauchen wir die Unterstützung der Politik.

Gesundheitsförderung ist etwas, das wir unbedingt durchführen möchten, aber die Rahmenbedingungen sind schwierig. Wenn wir jetzt den Blick auf die Errungenschaften wenden, also auf das Positive, gibt es im Bereich des Technischen bereits konkrete Ergebnisse von „Gesund im Kornhasen“. Wir konnten Senior*innentablets anschaffen. Teilhabe beinhaltet für unsere Bewohner*innen digitale Teilhabe – das ist im Dialog mit den Bewohner*innen noch einmal deutlich geworden. Die Betreuungskräfte und die Bewohner*innen werden in der Bedienung der Tablets geschult werden. Für unsere Bewohner*innen planen wir außerdem den verstärkten Einsatz digitaler Aktivierungstechniken. Gamifikation, als etwa Bewegungsförderung über Spielekonsolen, ist ein wichtiges Thema für unsere Einrichtung. Wir werden hier vom ortsansässigen Sportverein und dem Amt für Sport und Bewegung mit ihrem Know-how unterstützt.

Wenn ich die Erfolgsfaktoren zusammenfassen soll, die wir bislang aus unserer Erfahrung heraus benennen können, so sind neben der Partizipation der relevanten Zielgruppen und der Niederschwelligkeit der Maßnahmen besonders die Berücksichtigung lokaler Rahmenbedingungen und die Einbindung vorhandener Netzwerke wichtig. Wir freuen uns natürlich, wenn das Projekt neue Vernetzungen möglich macht. Sehr hilfreich wäre es auch, auf diese Weise neue Ehrenamtliche zu gewinnen, Menschen, die unseren Bewohner*innen mehr soziale Teilhabe ermöglichen. Leider erschwert Corona nach wie vor, dass wir in größerem Maße unsere Angebote in den Stadtteil hinein öffnen können. Aber wir freuen uns natürlich sehr, wenn Menschen aus dem Stadtteil in unserer Einrichtung kommen. Gesundheit hat so viel mit Eingebundenheit zu tun.“

Über das Projekt „Gesund leben im Kornhasen“ gab es bereits einige Medienberichte. Online abrufbar ist der Artikel der Stuttgarter Zeitung „Senioren in Wangen Zaubertafel und Gärtnern fördert Fitness der Senioren“  und der des Wangener Stadtteilmagazins Wilih „Kornhasen – Gesundheit geht über alles“.

Stuttgart